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FAQ: Rechtliche Leitlinien für Polizeieinsätze bei Blockaden und Versammlungen
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Fall A: Wie müsste die Polizei handeln, wenn es keine Versammlung ist (bloße Blockade)?
Schritt 1 – Ansprache & Anordnung: Klare Aufforderung (z. B. Platzverweis) mit kurzer Frist und Nennung der Rechtsgrundlage.
Schritt 2 – Verhältnismäßigkeit: Milderes vor härterem Mittel; zunächst Gespräch/Lenkung, dann erst Zwang. Anlasslose Kollektiv‑Kontrollen/‑Durchsuchungen sind unzulässig.
Schritt 3 – Zwang erst zuletzt: Erst nach Fristablauf und fortgesetzter Weigerung darf unmittelbarer Zwang eingesetzt werden.
Rechtsleitlinien (BVerfG): Verhältnismäßigkeit; pauschale, verdachtslose Eingriffe in eine (faktische) Versammlung bzw. Menschenansammlung sind unzulässig (1 BvR 2636/04). Sitzblockaden können Nötigung sein, aber nur unter engen Voraussetzungen und nach strenger Abwägung („Sitzblockaden"‑Rechtsprechung).
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Fall B: Wie müsste die Polizei handeln, wenn es eine Versammlung ist?
Schützen statt räumen: Art. 8 GG verlangt eine versammlungsfreundliche Behördenpraxis („Brokdorf").
Eingriff nur bei gewichtigen Gründen: Einschränkungen oder Auflösung nur bei konkreter Gefahr oder kollektiver Unfriedlichkeit.
Form & Ablauf der Auflösung: Eindeutige Ansage („Die Versammlung ist hiermit aufgelöst…"), Rechtsgrundlage nennen (§ 15 Abs. 3 VersG), angemessene Frist zum Verlassen.
Erst danach Zwang: Ohne formgerechte Auflösung mit Fristsetzung fehlt die Grundlage für Räummaßnahmen.
Ort/Zeit/Beachtungserfolg: Nähe zum Geschehen und Sichtbarkeit sind grundrechtlich bedeutsam; pauschales Fernhalten ist unzulässig, wenn mildere Mittel genügen (Heiligendamm; 1 BvQ 45/22).
Vorwürfe im Verfahren – kurz erklärt und an Beweisen gespiegelt
1. Landfriedensbruch (§ 125 StGB)
Tatbestand: Menschenmenge + von ihr ausgehende Gewalttätigkeiten/Bedrohungen; „kollektive Unfriedlichkeit".
Prüffragen: Gab es erhebliche Gewalt, Verletzte, nennenswerte Sachschäden?
Relevante Beweise aus den Anträgen:
  • Videos (Bodycams/Fahrzeuge/Drohnen) zeigen Verlauf und Verhalten (Beweisantrag Nr. 4).
  • Rettungsdienst-/Krankenhausberichte & Schadensmeldungen belegen Verletzungen/Schäden (Nr. 9).
Konsequenz: Fehlen erhebliche Gewaltindikatoren, spricht das gegen § 125 StGB.
2. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
Tatbestand: Widerstand gegen eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung durch Amtsträger.
Prüffragen: Gab es formgerechte Auflösung oder Platzverweis als Grundlage? Wurden diese klar bekanntgegeben?
Relevante Beweise aus den Anträgen:
  • Funk-/Führungsprotokolle und Lautsprechermitschnitte zum Wortlaut/Zeitpunkt der Ansagen (Nr. 2, Nr. 3).
  • Versammlungsrechtliche Verfügungen bzw. Negativattest (Nr. 6).
  • Öffentliche Polizeipresseaussage ohne Räummaßnahmen (Nr. 8).
Konsequenz: Ohne rechtmäßige Grundverfügung fehlt es an § 113 StGB.
3. Nötigung (§ 240 StGB)
Tatbestand: Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel + Verwerflichkeit.
Prüffragen: Lag körperlich wirkender Zwang vor oder nur passiver Protest (Sitzen/Unterhaken)? Welche Auswirkungen auf Dritte?
Relevante Beweise aus den Anträgen:
  • Video‑Totalen mit Ton (Nr. 4, Nr. 8) zur tatsächlichen Intensität und Wirkung des Verhaltens.
Konsequenz: Reines passives Verhalten reicht regelmäßig nicht für den Gewaltbegriff; besondere „Zweite‑Reihe"‑Konstellationen sind gesondert zu prüfen (strenge Abwägung)

Wichtiger Hinweis
Diese FAQ-Seite dient als Orientierungshilfe und ersetzt keine individuelle rechtliche Beratung. Die dargestellten Grundsätze basieren auf der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.